Wissenswertes

1. Warum Kung Fu trainieren?
2. Was ist "Siu Sou Kuen Kung Fu"?
3. Gibt es Graduierungs- (Gürtel-) Prüfungen im Kung Fu?
4. Gibt es Wettkämpfe und Meisterschaften im Kung Fu?
5.. Was ist die beste Kampfsportart?
6. Überblick über einige Kung Fu-Systeme – Welches Kung Fu passt zu mir?
-Südliche Gottesanbeterin (Naan Tang Lang Pai)
-Weißer Kranich (Bok Hok Pai) und La Ma Pai
-Nördliche Gottesanbeterin (Bei Tang Lang Pai)
-Nord-Shaolin
-Süd-Shaolin
-Affen-Schlangen-Faust
-Die Betrunkene Faust
-Tai-Chi
7. Selbstverteidigung und Notwehr

Warum Kung Fu trainieren?

Zuerst einmal, weil es Spaß macht!

Aber natürlich gibt es noch andere Gründe. Fragt man einen aktiven Kung Fu-Sportler, warum er ausgerechnet mit dieser Sportart angefangen hat, erhält man hauptsächlich folgende zwei Antworten: "Ich möchte Selbstverteidigung lernen" oder "Ich möchte so kämpfen können, wie in den Actionfilmen".

Zugegeben, das war auch die Motivation von unserem Trainer Sifu Westphal, als er sich in den 70ern auf einmal rasend für Kampfsport zu interessieren begann. Nach seinem ersten Bruce Lee-Film wollte er sich wie dieser Mann gegen Stärkere wehren können. Mit den Jahren des Karate- und Kung Fu-Trainings hat sich diese Motivation Kung Fu heißt 'Techniken meistern'... aber verändert: Mit der Körperstärkung geht auch eine Veränderung der geistigen Einstellung und Reife Hand in Hand. Aus Verunsicherung wird Selbstbewustsein, und damit gewinnt man genug Abstand um die Schönheit und Intelligenz der Kung Fu-Techniken schätzen zu können. Man begreift, dass man jetzt zwar kämpfen kann, ist aber froh, dass man es nur im Ernstfall muss. Aus Kampfsport ist Kampfkunst geworden.

Kung Fu bietet dem Suchenden eine ideale Möglichkeit vom Alltag abzuschalten und sich sportlich zu betätigen. Durch die Gymnastik und die verschiedenen Übungen werden alle Körperteile beansprucht, der Schüler bleibt beweglich und die Körperbeherrschung steigt. Durch das Training steigt die Kondition und Muskelkraft (Äußere Kraft) sowie die Konzentration und Willenskraft (Innere Kraft). Man kann Kung Fu bis ins hohe Alter praktizieren, muss dann vielleicht einige Abstriche bei all zu akrobatischen Techniken machen, aber da es reichlich praktikable Techniken in den Kung Fu-Stilen gibt, ist das nicht unbedingt ein Problem.

Nicht zuletzt ist der Selbstverteidigungsaspekt zu nennen. Schließlich wurden ja alle Kung Fu-Richtungen, auch die weichen Stile, wie Tai Chi und Pa Kua, als Schutz vor körperlichen Angriffen ersonnen. Da im Kung Fu alle Techniken erlaubt sind und auch trainiert werden, insbesondere die Schläge auf sensible Körperteile und Schmerzpunkte (Dim Mak), kommt die effektive Selbstverteidigung nicht zu kurz. Insbesondere werden auch solche Techniken trainiert, die mit wenig Kraftaufwand großen Effekt zeitigen.

Was ist "Siu Sou Kuen Kung Fu"?

Das Ziel der „Siu Sou Kuen–Vereinigung“ ist der Erhalt und die Verbreitung des Sou-Familien-Systems, sowie dessen aktive Weiterentwicklung im ursprünglichem Sinne der Gründer. Es handelt es sich also beim Siu Sou Kuen nicht um eine neue Kampfkunst, sondern um ein neues Unterrichtskonzept innerhalb der „Sou Gar-Schule“.

Dieser neu konzipierte Lehransatz beruht auf einer deutlichen Reduzierung der Unterrichtsinhalte und einer veränderten Priorisierung innerhalb der Unterrichtseinheiten: So enthält die "Kleine Faust der Familie Sou" nur noch die Techniken des Naam Tong Long Pai und des La Ma Pai nach der Lehre der „Sou-Familie“ sowie das „Ba Ji Quan/Pi Gua Zhang“ nach der Unterrichtsmethode von Sifu Adam Hsu. Das „Ba Ji Quan/Pi Gua Zhang“ wurde aufgrund seiner überlegenden Didaktik bei der Vermittlung von Kraftaufbau und -abgabe neu in das System integriert. Die in der „Siu Sou Kuen-Vereinigung“ organisierten Sou-Schulen befinden sich in Berlin, Steinfurt, Hamburg und Darmstadt; eine weitere befreundete Sou-Gruppen findet man in Braunschweig. Allen Gruppen gemeinsam ist, dass in ihnen zumindest die Südliche Gottesanbeterin der Sou-Familie praktiziert wird.

Gibt es Wettkämpfe und Meisterschaften im Kung Fu?

Ja, gibt es. Die Schwierigkeit ist, die sehr unterschiedlichen Systeme des Kung Fu vom Regelwerk und der objektiven Bewertung her unter einen Hut zu bekommen. Da hat man es bei den weltweit durchorganisierten Kampfsportarten Karate und Judo deutlich einfacher. Während man bei diesen tatsächlich von Deutschen-, Europa- und Weltmeisterschaften reden kann, muss man bei „Kung Fu-Weltmeister“-Titeln immer etwas vorsichtig sein; so manch ein Weltmeister wurde eher in regionalem Rahmen oder nur innerhalb des eigenen Kung Fu-Stils geboren.

Bei den Formen (Kuen Tao, Kata) wird im Wettkampf manchmal zwischen harten und weichen Stilen differenziert, weil die Kung Fu-Systeme vom Rhythmus und der Intensität sehr unterschiedlich ausgeführt werden. Die Schiedsrichter können auch bei Ihnen nicht bekannten Stilen erkennen, ob die Formen technisch gut ausgeführt wurden, ob man fest stand, wackelte oder die Dynamik plausibel war. Hier werden ähnlich wie beim Turnen oder Eiskunstlauf Wertungspunkte vergeben, deren Höhe natürlich vom Geschmack der Schiedsrichter abhängen kann: manch einer schätzt die Akrobatik von modernem Wu Shu höher ein, als die pragmatischen, anwendungsbezogenen Techniken mancher harter Systeme; bei manchen Turnieren ist wiederum Akrobatik wenig erwünscht. Ein Beispiel für die Teilnahme unserer Siu Sou Kuen-Schüler des TV Borghorst an einem Turnier des Deutschen Kung Fu Verbands in Greven findet man auf Youtube.

Noch schwieriger ist die Organisation von Freikampf-Wettbewerben, da im Kung Fu von hause aus ALLE Techniken erlaubt sein sollten, dies aber in der Praxis als für zu gefährlich empfunden wird. Es ist zu verstehen, dass manch ein Kampfsportler ausprobieren möchte, ob seine erlernten Techniken im Ernstfall funktionieren könnten. Deswegen steckt man die Kämpfer im „San Da“ in Ganzkörper-Schutzausrüstungen und reguliert die erlaubten Angriffe derart, dass das Ergebnis eher wie (Kick)Boxen aussieht und von den Kung Fu-Stilen nicht mehr viel zu sehen ist. Wenn man unter Vollkontaktbedingungen die Ausrüstung minimiert, kommt man schnell in die Ecke des Cagefighting, das ja auch seine Anhänger hat.

Im Siu Sou Kuen Kung Fu üben wir den freien Kampf, bei dem alles erlaubt ist, bewusst ohne Schutzausrüstung. Die Schüler lernen bereits beim Training, jede Technik mit exaktem Abstand und leichtem Kontakt zum Ziel auszuführen; so dass sie schließlich technisch so versiert sind, dass sie ihren Gegner auch im Freikampf nicht verletzen. Um diese Art von Kampf auch mit anderen Kung Fu-Schulen praktizieren zu können, bedarf es einer genauen Absprache und Vertrauen in die technischen Fähigkeiten sowie Rücksichtnahme der Teilnehmer. Mit der befreundeten 7-Sterne-Tang Lang Schule des SV Greven unter Sifu Marco Schmitt hatten wir ein solches Projekt in Angriff genommen. Schließlich fand der so genannte „Mantiskampf“ auf dem Turnier in Greven seine Premiere: Mit geringer Ausrüstungen waren fast alle Techniken mit minimalem Kontakt erlaubt.

Gibt es Graduierungs- (Gürtel-) prüfungen im Kung Fu?

Zum Thema Prüfungen im Kung Fu kann man sehr geteilter Meinung sein.

Im traditionellen Kung Fu gab es historisch keine Gürtel- (in unserem Fall Schärpen-) Prüfungen. Die Graduierungen basieren auf einer Dreiteilung wie in einer Familie: Vater=Lehrer (Si Fu), Ältere Geschwister=Fortgeschrittene (Si Hing) und Jüngere Geschwister=Anfänger (Si Dai). Der Lehrer des eigenen Sifu wird Si Gung (Großvater) und dessen Lehrer Tai Si Gung (Urgroßvater) genannt. Da traditionelles Kung Fu meist innerhalb der Familie von Generation zu Generation weitergegeben wurde (unser Kung Fu heißt z. B. SIU SOU KUEN, die kleine Faust der Familie Sou), ist das auch vollkommen ausreichend. Bei der überschaubaren Anzahl von Schülern war sowieso der jeweilige Wissensstand bekannt.

Erst, wenn ein Kampfsystem expandiert oder an einer Sporthochschule in einer versportlichen Form unterrichtet werden soll, ist eine Vereinheitlichung des Trainingsinhaltes sinnvoll. Ein externer Lehrer kann dann an der Schärpe oder dem Gürtel erkennen, welche Fähigkeiten er bei den Schülern voraussetzen kann. Es gibt in Sachen Graduierungsprüfungen aber auch manches schwarzes Schaf. In manchen kommerziellen Kampfsportschulen, vor allem wenn sie als Franchisenehmer teure Unterrichtslizenzen von international tätigen Kampfsportorganisationen erwerben mussten, werden Graduierungsprüfungen auch oft mißbraucht: Hier werden die Schüler schnell durch die Prüfungen gehetzt und gepfefferte Prüfungsgebühren erhoben, damit die Kasse klingelt. Die Leittragenden sind hier ausschließlich die Schüler, da sie den Lehrinhalt für die Prüfung zwar irgendwie reproduzieren können, diese aber noch lange nicht verinnerlicht haben. Eine Ausbildung vom Schüler zum "Schwarzgurt" in nur 3 Jahren scheint in jedem Fall höchst fragwürdig.

Im SOU GAR KUNE, das in Berlin in unterschiedlichen Sportschulen an etwa 300 Schüler weiter gegeben worden ist, wurde aus dem Grund der Vergleichbarkeit ein Graduierungssystem eingeführt. Eine Einteilung war zusätzlich wegen der immensen Fülle der Lehrinhalte (es wurden fünf verschiedene Kung Fu-Systeme beigebracht) äußerst sinnvoll. Der Schüler begann mit der Schwarzen Schärpe und durchlief 8 Graduierungsprüfungen bis zur Weißen Schärpe, dem Meistergrad. Man arbeitet sich sinnbildlich aus dem Dunkel zur Erhellung nach oben; der chinesische Familienname SOU bedeutet weiß, schlicht oder hell. Diese Entwicklung dauerte nicht unter 10 Jahren. Kung Fu kann man ja schließlich auch mit "harter Arbeit" übersetzen. Da im SIU SOU KUEN eine Spezialisierung auf die Tierstile der Südlichen Gottesanbeterin und des Kranichs stattgefunden hat, ist der Lehrinhalt und auch die Zahl der Schüler wesentlich überschaubarer geworden. Zur Zeit werden daher keine Prüfungen abgenommen. Aber eigentlich wird jeder Schüler in jeder Trainingseinheit vom Sifu eingehend geprüft; denn nur dann ist eine Entwicklung der Fähigkeiten in der Kampfkunst gewährleistet.

Was ist die beste Kampfsportart?

Es gibt keine beste Kampfsportart – es gibt auch keine schlechten. Nun ist natürlich jeder, der viel Zeit und Mühe in seine Ausbildung gesteckt hat, davon überzeugt, dass seine Kampfkunst die beste ist. Und das ist auch in Ordnung so.

Wenn zwei Kampfsportler unterschiedlicher Kampfsportarten gegeneinander kämpfen, ergibt sich aus dem Ausgang des Kampfes auch nicht, welcher Stil nun besser ist. Letztendlich treten ja zwei Menschen gegeneinander an. Die Kampfsportarten liefern nur das Werkzeug, das jeder so gut benutzen muss, wie er es vermag. Man sollte sich viel mehr die Frage stellen: „Was ist die beste Kampfsportart für mich?“, d. h. welche Kampfart passt so gut zu meinen körperlichen Voraussetzungen und zu meinem Charakter, dass ich die Bewegungen so ausführen kann, wie sie gedacht sind.

Wenn man sich (vielleicht zufälligerweise) die für einen persönlich richtige Kampfschule ausgesucht hat, wird man - einen qualifizierten Trainer vorausgesetzt - auch gute Ergebnisse erzielen können. So gibt es Kampfsportler, die im Judo gut sind, für die aber Aikido nicht das richtige wäre und umgekehrt. Für die einen ist traditionelles Kung Fu ideal, andere sind besser im Karate aufgehoben; die einen sind im Kickboxen stark, andere wieder im Tai Chi. Manch einer lernt mehrere Kampfsportarten und sucht sich aus jedem die Bewegungen heraus, die zu ihm am besten passen. Auf diese Art sind zum Beispiel die vielen verschiedenen Kung Fu- und Karate-Stile entstanden.

Überblick über einige Kung Fu-Systeme – Welches Kung Fu passt zu mir?

Wenn sich jemand entschieden hat, Kampfsport zu betreiben, steht er vor der Frage, welches Kampfsystem er wählen soll. Sich in der der unübersichtlichen Landschaft von asiatischen Namen und Philosophien zurecht zu finden, muss einem Anfänger (und manchem Fortgeschrittenen) vor eine fast unlösbare Aufgabe stellen. Denn in fast jeder Ortschaft gibt es einen Judo-, Karate- und vielleicht sogar Kung Fu-Club. In den Großstädten werben gleich Dutzende Kampfsportschulen um die Gunst des Interessenten.

Buchstäblich für Jeden ein Kampfsystem, das ihm auf den Leib geschneidert ist, gibt es im Kung Fu. Denn im Gegensatz zur herrschenden Meinung, ist nicht jedes Kampfsystem für jeden gleich geeignet. Ein kleiner, kompakter Schüler wird es vielleicht schwer haben, die langen, weit ausholenden Bewegungen des Kranichs zu lernen; diese könnten auch nach langem Taining etwas unbeholfen bei ihm aussehen. Der selbe Schüler wird aber wahrscheinlich das harte und tiefe Südshaolin leicht erlernen und die Bewegungen umsetzen können.

Davon weiß jedoch ein Anfänger noch nichts. Die Lehrer, die häufig nur einen Stil erlernt haben und diesen natürlich auch für den besten halten, können den Schüler nicht weiter beraten. Da sich aber niemand über seinen Körperbau hinweg setzen kann, enden solche ersten Kampfsporterfahrungen oft mit einer Enttäuschung.

Unser SIU SOU KUEN (Kleine Faust der Familie Sou) setzt sich aus zwei sehr unterschiedlichen Stilen zusammen, dem Naam Tang Lang Pai (Stil der Südlichen Gottesanbeterin) und dem tibetanischen La Ma-Pai/Bok Hok Pai (La Ma-Stil und Stil des Weißen Kranichs).

Beim Naam Tang Lang Pai handelt es sich um ein kompromissloses Nahkampfsystem, das darauf abziehlt, den Gegner in möglichst kurzer Zeit kampfunfähig zu machen. Der tibetanische Stil arbeitet aus größerer Entfernung und versucht, Lücken in der Verteidigung des Gegners auszunutzen. Die Kombination beider Stile ergibt ein System, in dem jeder Schüler seine individuellen körperlichen Voraussetzungen zu seinem Vorteil entwickeln kann.

Im Folgenden sollen hier noch andere bekannte Kung Fu-Systeme vorgestellt werden, um dem Leser einen kleinen Einblick in die Vielfalt der über 2000 Kung Fu-Stile zu ermöglichen. Die hier folgenden Beschreibungen spiegeln ausdrücklich die subjektive Meinung des Autors wieder! Sicher sind sie nicht komplett und umfassend und können von anderen Kung Fu Aktiven mit gleichem Recht durchaus anders gesehen werden!

Südliche Gottesanbeterin (Naan Tang Lang Pai)

Es gibt auf der Welt nur noch wenige Großmeister, die Südliche Gottesanbeterin beherrschen; die meisten sind über die Jahrhunderte ausgestorben, da dieser Kampfstil zumeist innerhalb von Familien, Geheimbünden und Clans weitergegeben wurde, zu erkennen an der Endung des Stilnamens „Gar“ oder „Jia“ (heisst: Familie), wie Sou Gar, Chow Gar oder Chou Lin Jia. Wer aber ein effektives Selbstverteidigungssystem sucht, das von Schnelligkeit und wirksamen Block- und Angriffstechniken geprägt ist, der hat es soeben gefunden. In der Südlichen Gottesanbeterin wird das Kampfverhalten und die blitzschnellen Schläge der Fangheuschrecke imitiert. Die Lauf- und Fußtechniken sind dem Affenstil entlehnt, so dass man lernt, schnell und sicher auszuweichen und anzugreifen.

Jedoch findet man in der Südlichen Gotteanbeterin selten Tritte zum Kopf, die im Ernstfall riskant und wenig effektiv sein können. Man verwendet vielmehr kurze, ansatzlose Tritte zu Bauch, Knien und Unterleib, die durch keine Bewegung vorher verraten werden. „Schattenlose Tritte“, Abwehr und Gegenangriff erfolgen so gut wie gleichzeitig, was dem Gegner keine Zeit zur Reaktion lässt. Ein Prinzip, dass man z. B. auch im Wing Tsun kennt. Hat man erst einmal eine Lücke in der Verteidigung erkannt, bedrängt man den Gegner weiter, bis er besiegt ist. Die Techniken sind äusserst schnell und gerade. Und sie sind geschlossen, das heisst, dass man den Körper nicht lange von der Deckung entblößt.

Um die Südliche Gottesanbeterin zu erlernen, muss man weder sehr gelenkig sein, noch muss man viel Kraft mitbringen, denn hier wird nicht Kraft gegen Kraft gesetzt. Voraussetzungen sind viel mehr gute Reaktion und Mut zum Nahkampf.

Weißer Kranich (Bok Hok Pai) und La Ma Pai 

Die Technik der Weißen Kranichs hat sich aus den Kampfübungen der tibetanischen Lama-Mönche entwickelt. La Ma Pai zeichnet sich durch weite, geschwungene Armtechniken aus. Diese Schläge werden von der Hüfte her eingeleitet, Schultergürtel und Arm bilden beim Schlagen eine Linie. Die Armtechniken sind sehr schnell und kraftvoll, wobei die Kraft nicht aus den Muskeln kommt, sondern aus der Beschleunigung der Faust durch die ganze Körperbewegung.

Aus dem heute fast unbekannten Muttersystem La Ma Pai entstand unter anderem der „Stil der tödlichen Füße“ (Si Da Tui). Wie der Name besagt, besteht dieser Stil hauptsächlich aus Fußkampf, ähnlich dem Teakwondo. Jedoch gibt es im La Ma mehr und vor allem kompliziertere Tritte, wie Tritt- und Fegekombinationen zu Füßen und Knien sowie „Wirbelwindtritte“ (Hsuan feng tui) und Sprungtritte zum Kopf. Ausserdem wird hier auch zum Unterleib getreten, der für den Chinesen nicht wie für den Karateka ein „verbotenes Ziel“ dar stellt.

Aus La Ma Pai wurde in China durch Angliederung der Kranichtechniken das Hop Gar und Bok Hok Pai. Dabei ahmen Körper und Arme den Flug des Kranichs nach, dessen Flügelschlagen und das Hacken des Schnabels nach Gegnern und Beute. Die Handhaltung des Kranichschnabels ist typisch für diesen Kung Fu-Stil. Sie wird gebildet, in dem die Spitzen aller fünf Finger an einander gelegt werden. Der Kranichschnabel „hackt“ in peitschenden Bewegungen zur Schläfe und zu Nervenpunkten. Man steht normalerweise sehr hoch und bewegt sich beim Kampf um den Gegner herum, um eine Lücke in der Verteidigung zu suchen. Um die langen Armtechniken anwenden zu können, muss man zum Gegner immer den richtigen Abstand einnehmen. Im Kranichstil gibt es zwar auch kurze Techniken, aber die Langtechniken sind am wirksamsten.

Ein großer Kämpfer mit großer Reichweite kann also das La Ma gut anwenden. Wer ausserdem an ballettartigen Bewegungen, sowie Fußtritten Spaß hat, ist im La Ma- und Kranichstil gut aufgehoben.

Nördliche Gottesanbeterin (Bei Tang Lang Pai) 

Dieses System erkennt man sofort an der „Gottesanbeterin-Kralle“ (Tang Lang Tiao Shou). Sie wird zum Fangen des gegnerischen Arms und Schlagen zu empfindlichen Körperstellen eingesetzt. Alle Schlag- und Abwehrbewegungen sind sehr schnell, wie die Fangtechniken des Insekts.

Die Nördlichen Gottesanbeterinstile sind weit verbreitet; hier im Münsterland ist der Stil "Sieben-Sterne Gottesanbeterin" vertreten; weitere Tang Lang (=Gottesanbeterin)-Stile sind z. B. Shantung, Kwang Pan; Wah Lum, und Mi Tsung. Je nach Stil kann dabei die rechts abgebildete Grundstellung in Höhe und Handhaltung variieren. Die Bandbreite der Techniken umfasst sowohl tiefe (zum Knie) als auch hohe (zum Kopf) Fußtechniken, Sprünge und Würfe. Besonders bemerkenswert ist die komplizierte Lauftechnik, die wie bei der Südlichen Gottesanbeterin aus dem Affen-Kung Fu stammt. Der Schüler lernt, sich sicher und behände zu bewegen sowie Angriffe zu blocken und zu fangen.

Die nördliche Gottesanbeterin ist ein geeigneter Stil für Schüler, die vor allem schnell und agil sein müssen.

Nord-Shaolin

Nordshaolin ist häufig akrobatisch Das heutige Kampfsystem „Wu Shu“, das auf chinesischen Sporthochschulen gelehrt wird, besteht hauptsächlich aus Nord-Shaolin-Techniken. Nord-Shaolin kann man wohl als den Großvater des Shotokan Karate bezeichen. Hier findet man noch Blocktechniken, die stark an die heute bekannten japanischen erinnern. Nordshaolin ist jedoch nicht so statisch wie Karate. Es sieht vielmehr leichtfüßig und ballettartig aus und hat oft akrobatische Einlagen: Salti, freie Räder, komplizierte „Wirbelwindtritte“ sowie schnelle, aber feste Stände.

Diese Eigenheiten der nördlichen Stile rühren daher, dass Nordchinesen groß und schlank sind und ihre Leichtfüßigkeit und Reichweite ausspielen wollen. Ein Anfänger lernt im Nordshaolin leicht die grundlegenden Lauftechniken und Schlagkombinationen, die einfach und gradlinig sind. Muskeln und Sehnen werden grundlegend gedehnt und gestärkt. Mit dem Erlernen der Gymnastik- und Grundtechniken wächst die Körperbeherrschung schnell, bis der Schüler die kompliziertesten Techniken, die weit und offen sind, exakt ausführen kann. Sieht man bei einer Kung Fu-Aufführung eine besonders akrobatische und schöne Technik, handelt es sich meist um Nordshaolin, weswegen Wu Shu-Aktive bei Kürübungs-Meisterschaften von hause schon einmal gute Chancen haben.

Wer also von Natur aus gelenkig ist und in der Schule Bodenturnen gemocht hat, für den ist Nordshaolin empfehlenswert. Wer aber vor allem Selbstverteidigung sucht, der sollte sich lieber nach einer Gottesanbeterin- oder Südshaolinschule umsehen.

Süd-Shaolin

Geht man ins Kino, um einen Shaolinfilm zu sehen, dann wird dort meist Süd-Shaolin gezeigt. Das bekannteste Südshaolin ist wohl das „5-Tiere-Shaolin“ (Ng Ying Kune), wie es auch im Hung Gar vorkommt. Jedoch sind auch Choy Lay Fut und natürlich auch Wing Tsun bekannt.

Die Südchinesen sind kleiner und kräftiger als die Nordchinesen. Daraus folgend sind die Techniken kurz, hart und kraftvoll (Ausnahme: Beim Choy Lay Fut gibt es auch weite Schlagtechniken wie beim Kranich). Die Stände sind sehr tief und weiter als bei den anderen erwähnten Systemen. Auf spektakuläre Fußtritte, die für kleine Leute unpraktisch sind, wird gerne verzichtet.

Am schönsten ist wohl das „5-Tiere-Shaolin“. Die fünf Tiere sind Drache, Tiger, Leopard, Schlange und Storch. Sie unterscheiden sich sehr in ihren Techniken, die die Bewegungsmuster der Tiere widerspiegeln sollen: Der Drache hat kräftige Fausttechniken und hohe Tritte (weil er fliegen kann...); der Tiger ist kräftig und tief; der Leopard ist schnell und beweglich; die Schlange ist geschmeidig und bedient sich der Fingerstiche; der Storch hat relativ lange Schläge und hohe Stellungen. Bei der Ausführung dieser unterschiedlichen Tierstile reicht es aber nicht aus, einfach mal eine Tigerkralle oder den Schlangenkopf mit der Hand zu formen; vielmehr muss der Aktive mit seinem ganzen Körper die Bewegungen des Tieres imitieren, um sich deren Stärken zu Nutze zu machen.

Der ideale Süd-Shaolin-Schüler sollte klein, kräftig und kompakt gebaut sein. Große, schlanke Schüler sehen bei den kräftigen Techniken oft schlaksig aus.

Affen-Schlangen-Faust

Eine sehr schöne und exotische Kombination ist die Affen-Schlangen-Faust. Sie ist ideal für Schüler, die nicht alzu kräftig, jedoch flink sind, sowie für Frauen. Wem das Nord-Shaolin noch nicht akrobatisch genug ist, dem sei das Affen-Kung Fu ans Herz gelegt.

Das faszinierende an diesem Stil ist, dass der Schüler mit seinem ganzen Körper und der Mimik das unvorhersagbare Verhalten eines Affen nachahmen muss. Hinter den verspielt und lustig aussehenden Techniken verbergen sich jedoch fiese und gefährliche Greif-, Kratz- und Bruchtechniken, Fußtritte zum ganzen Körper, Salti, freie Rollen und Flick-Flacks.

Noch einmal taucht hier die komplizierte Lauftechnik des Affen auf, wie schon bei den Gottesanbeterin-Systemen. Sie befähigt den Kämpfer zu schnellem Ausweichen und Trittkombinationen auf Knie und Unterleib. Die Schlangentechnik ist sehr schnell und gerade. Die Hände sind meist zum „Schlangenkopf“ geformt und stechen zu den Augen, zum Hals und zu Nervenpunkten. Die Stände sind meist bodennah und zusammen gekauert; sie erfordern eine hohe Gelenkigkeit. Beim Schlagen versucht man, die innere Kraft „Chi“ einzusetzen, um den Angriff schneller und die Finger härter zu machen.

Wer schon einmal mit einem Schlangen-Kämpfer geübt hat, der weiß, wie schwierig die blitzartigen Stoßbewegungen der sich windenden Hände abzuwehren sind. Dazu kommt, dass der Körper sich schlangengleich unter den Gegenangriffen weg windet.

Die Betrunkene Faust 

Diese Art des Kung Fu ist vor allem mit den Jacky Chan-Filmen Drunken Master 1 & 2 bekannt geworden. Am berühmtesten sind wohl die „Acht betrunkenen Götter“. Jedoch gibt es auch in anderen Kung Fu-Systemen Varianten, in denen die Bewegungsprinzipien der Trunkenheit eingebaut wurden, wie z. B. beim betrunkenen Affen.

Um gleich eine Frage vorweg zu nehmen: Ja, für die Ausübung dieser Stile ist es wirklich von Vorteil, wenn man etwas intus hat! Der Vorteil dieser Kampfweise beruht nämlich darauf, dass der Gegner die scheinbar unkontrolliert torkelnden Bewegungen des Kämpfers nicht voraussehen kann. Wo man normalerweise aus Gleichgewichtsgründen seine Körperachse senkrecht halten sollte, pendelt der Betrunkene bewusst die Angriffe aus, lässt sich in den Gegner hinein fallen und nutzt so sein Körpergewicht, um zusätzliche Kraft in seine überraschenden Schläge zu bringen. Die Betrunkenenfaust ist dabei meist so geformt, als ob man einen Schnapsbecher in der Hand hält. Diese Hand wird auch zum Greifen, Würgen und Kratzen zu den Augen verwendet.

Die Idee, dass ein Betrunkener weniger Schmerzempfinden hat und seine Bedenken verliert, anderen weh zu tun, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Kehrseite der Medaille ist, dass der Kampfsportler bei diesem Stil extrem akrobatisch sein muss. Denn er wird beim Kämpfen häufig auf den Boden fallen, von wo er z. B. mit Fußfegern und Beinscheren direkt weiter attackieren wird oder schnell mit Rolle-durch-den-Handstand oder Nackenkippe aufsteht. Wer also Bodenturnen mag und ein hohes Maß an Selbstironie und Humor mitbringt, wird sich in das Betrunkene Kung Fu verlieben.

Tai-Chi 

Das bekannteste Kung Fu-System ist sicher das zeitlupenhafte Schattenboxen, das Tai Chi. Es ist ein „weiches“ System, wie das Pa Kua und das Hsing-I. Viele vergessen, dass auch die weichen Kung Fu-Systeme durchaus effektive Selbstverteidigung darstellen, aber zumeist wird dies beim Tai Chi nur noch selten vermittelt.

Beim Tai Chi wird nicht Kraft gegen Kraft gesetzt, sondern der Kraft des Gegners mit der eigenen Kraftlosigkeit begegnet (Yin und Yang, ein Prinzip, das man auch bei der Südlichen Gottesanbeterin ud bei Wing Tsun findet). Körper und Geist sollen beim Tai Chi eine Einheit bilden. Bei den runden, zeitlupenhaften Bewegungen atmet man bewußt im Rhythmus der Techniken, wobei man sich auf den Fluss seiner inneren Kraft Chi konzentriert und versucht, sie in die Richtung des Angriffs zu richten.

Tai Chi wird oft „Meditation in Bewegung“ genannt. Der Schüler sollte sich seines Körpers bewusst werden. Durch die ruhige Atemtechnik wird Tai Chi stressabbauend und gesundheitsfördernd. Die Durchblutung der Organe wird angeregt, man wird ausgeglichener und konzentrierter. Hier ist also ein ideales Mittel, dem Alltagsstress zu begegnen und sich selbst zu beruhigen, was sowohl die körperliche als auch die mentale Seite des Kung Fu berücksichtigt.

Selbstverteidigung und Notwehr

Falls man tatsächlich einmal in eine Notwehrsituation gerät, ist es vor allem wichtig, angemessen darauf zu reagieren. Hier einige Regeln:

  • Weglaufen und Hilfe holen geht vor kämpfen! Bitte kein falsch verstandenes Heldentum.
  • Nicht in die Ecke drängen lassen, damit man weglaufen kann, sobald es die Situation zulässt.
  • Öffentlichkeit schaffen. Macht anwesende Passanten aufmerksam. Dabei die Passanten gezielt ansprechen, z. B.: "Sie mit der grünen Jacke! Rufen Sie die Polizei! Ich werde bedroht!"
  • Die Angreifer mit lauter Stimme ansprechen - Ihr dürft auch schreien -, so dass andere es hören können! Dabei die Angreifer Siezen, damit andere hören, dass es kein Streit unter Freunden ist, z. B.: "Lassen Sie mich in Ruhe! Ich will nichts von Ihnen! Lassen Sie mich gehen!"
  • Nicht beleidigen oder zusätzlich provozieren und auch nicht provozieren lassen.
  • Unbedingt auf Aussehen und Details bei den Tätern achten, um später möglichst genaue Beschreibungen der Täter abgeben zu können. Merke: Wer straffrei aus einer provozierten Schlägerei heraus kommt, macht es beim nächsten Mal wieder!
  • Bei mehreren Angreifern nicht in die Zange nehmen lassen! Immer so ausweichen, dass man möglichst nur einen Gegner vor sich hat!
  • Bei mehreren oder bewaffneten Gegnern und wenn der Kampf nicht zu vermeiden ist, sind Schläge auf empfindliche Körperteile, wie Nase, Unterleib, Knie, Hals und Augen sofort gerechtfertigt. Straßenkampf ist leider kein Sparring; man muss die Gegner schnell und effektiv zur Aufgabe zwingen. Alle Aktionen müssen jedoch der Situation angemessen und erforderlich sein, das heißt...
  • Sobald man sich der Gefahrensituation entziehen kann, ist der Kampf vorbei! Weglaufen und sofort die Polizei verständigen!

Juristisch ist der Notwehrparagraph im St GB folgendermaßen definiert:

§ 32: Notwehr

(1) "Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig."

(2) "Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden."

§ 33: Überschreitung der Notwehr

"Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft."

In den weiteren Paragraphen wird der Begriff der Notwehr auch auf Sachwerte und Rechtsgüter ausgedehnt; nachzulesen im Strafgesetzbuch unter § 34 und folgende.

Apropos "Angriff auf sich oder einen anderen": Ein Bürger ist schon von Gesetz wegen verpflichtet, bei Angriffen auf andere -im Rahmen seiner Möglichkeiten-, zu helfen oder Hilfe zu holen.

Lest dazu auch die Infos auf den Webseiten der Polizei, wo Ihr weitere Tipps holen könnt.